Donnerstag, 13. Februar 2014

Halbjahresbericht für ICJA

Vor meinem Projekt in Mysore, Sneha Kiran, einer Schule für Behinderte, war ich in Bangalore, Advaith Foundation, in einem Kinderheim für Kinder aus armen Familien. Ich habe nach den Weihnachtsferien das Projekt gewechselt.

Bevor ich den Freiwilligendienst in Indien angetreten bin wurde in den Medien eine Menge von Vergewaltigungen berichtet, weswegen meine Freunde und Familie nicht besonders glücklich waren, dass ich mir Indien für mein Freiwilligenjahr ausgesucht hatte. Ich hatte damit gerechnet ständig aufpassen zu müssen, ich dachte es sei gefährlich. Auch habe ich damit gerechnet, in einem kleinen Dorf am Rande von Bangalore zu landen, weshalb ich auch die Hälfte meines Koffers mit Kultur- und Hygieneartikeln gefüllt hatte. Ich hatte mit Schmutz und Bakterien und vielen kleinen Krabbeltieren gerechnet. Darauf war ich vorbereitet. Mit tausend Impfungen, Mückenspray und -netz, Desinfektionsmitteln, Shampoo und Deo ging es dann los!
Als ich dann in Bangalore in meinem Projekt angekommen war, war es dann nicht ganz so. Der Campus war riesig, alles war modern, fast moderner als einige Kinderheime in Deutschland. Ich hatte quasi mein eigenes Apartment, welches ich erst nach drei Monaten mit einer anderen Freiwilligen teilen musste, die dann neu hinzu kam. Es war größer und auch sauberer als in meinem eigenen Zimmer in Deutschland, da jeden Tag Putzfrauen kamen und alle Zimmer säuberten. Das Projekt war zwar nicht zentral gelegen, jedoch konnte ich innerhalb von anderthalb Stunden die Innenstadt erreichen, die sehr groß und fortgeschritten war.
Ich merkte auch schnell, dass die Medien übertrieben hatten. Auf der Straße liefen zwar viele Männer herum die einen anstarrten, vermutlich wegen der Hautfarbe, und überall sah man Männergruppen herum stehen, die einen oft nicht nur anstarrten sondern auch auf Englisch ansprachen wenn man gerade auf ihrer Höhe an ihnen vorbei lief. Dinge wie „Hi, how are you?“ lernte man schnell zu ignorieren.

Meine Arbeit im Kinderheim bestand aus der täglichen Therapie von hyperaktiven Kindern (drei mal täglich), Hausaufgabenbetreuung, Vorschulunterricht (oft zwei mal täglich) und Englischunterricht für drei Kinder mit Lernproblemen am Abend. Zwischen den Stunden hatte ich meistens immer ein oder zwei Stunden Pause zum ausruhen. Gleich von Anfang an arbeitete ich auch Samstags, dafür sollte ich dann anstatt einem Monat ganze zwei Reisemonate bekommen.
Problematisch war für mich anfangs, dass ich in dem ersten Monat dort alleine war, beziehungsweise die einzige Freiwillige war. Normalerweise sind dort immer 2-4 Freiwillige auf einmal, doch kurz vor meiner Ankunft waren alle abgesprungen.
So ging ich nun alleine in diesen eingezäunten Campus und fühlte mich etwas verloren. Bei über hundert Kindern und mindestens fünfzig Betreuern ist das auch kein Wunder, vor allem wenn die meisten Betreuer kaum oder kein Englisch sprechen. Die Kinder und Lehrer hingegen konnten ausnahmslos alle Englisch.
Die ersten zwei oder drei Tage fielen mir wirklich schwer, doch schnell freundete ich mich mit ein, zwei Lehrerinnen an und auch die Kinderbetreuer nahmen mich herzlichst auf und auch wenn wir verschiedene Sprachen sprachen, so versuchten wir uns auf anderen Wegen zu verständigen. Von den Kindern brauche ich gar nicht zu reden, am ersten Tag hatten sie mich schon in Beschlag genommen.
Die Arbeit in dem Projekt war nicht ganz, was ich mir vorgestellt hatte. Ich musste zunächst einmal mit kleinen Kindern arbeiten, zwischen drei und fünf Jahren, das kannte ich noch nicht und auch wenn es anfangs hieß ich könne erst einmal beim Unterricht zugucken für ein paar Tage, so stand ich am ersten Tag meiner Arbeit vor neun kleinen lauten Kindern, die nicht auf mich hören wollten und die Aufpasserin, welche die Kinder ruhig halten sollte, hatte den Kopf auf den Tisch gelegt und schien vor sich hin zu dösen. Erst nach anderthalb Monaten schaffte ich es schließlich, die Kinder selbst zu kontrollieren und ruhig zu kriegen, das war eines meiner größten Erfolgserlebnisse dort!
Erst nach drei Monaten, das muss ich zugeben, machte mir die Arbeit mit den kleinen Kindern erst richtig Spaß.
In dem Gelände war neben dem Kinderheim auch die Schule, auf welche die Kinder tagtäglich von 9 – 15 Uhr gingen, währenddessen ich dann frei hatte. Von außen kamen auch jeden Morgen Schüler mit dem Schulbus angefahren um dort zur Schule (Samhita Academy) zu gehen.
Finanziert wurde die Schule und das Heim von eben diesen, denn die Kinder von außerhalb kamen aus eher wohlhabenderen Familien, die monatlich einen gewissen Betrag an die private Schule zahlen mussten. Ich habe mich einmal mit dem Vater eines Mädchens unterhalten, der mir erklärte, dass die Schule zwar etwas teurer war, verhältnismäßig, doch weil 20% des Einkommens an das Kinderheim gingen, bezahlte er gerne etwas mehr, zur Unterstützung. Außerdem gab der Gründer des Projekts auch viel Geld und Energie in das Projekt Advaith Foundation, weshalb es den Kindern an nichts zu fehlen schien. Sie bekamen Kleidung, Essen, Trinken, Ausbildung und eine Menge an Betreuung und Zuwendung, sie lernten Gitarre spielen von einem Lehrer, der einmal die Woche kam, es gab Yoga-Klassen dreimal die Woche morgens und am Wochenende Tanz- und Karate-Unterricht. Auf dem sehr großen Schulhof gab es einen Basketballplatz, Fußballtore und einen Platz zum Kricket spielen, drinnen Fernseher und Tischtennisplatten. Alles, was ein Kinderherz begehrt! Außer die Eltern, die fehlten den Kindern natürlich. Diese kamen einmal im Monat und an besondere Veranstaltungen vorbei, an Feiertagen konnten die Kinder auch nach Hause, wenn sie wollten.

Die Zusammenarbeit mit meinen Ansprechpartnern war sehr gut, wir verstanden uns bestens. In den ersten Monaten ging ich jeden Tag zu Sunithas Büro um Fragen zu stellen, Ideen auszutauschen oder einfach um mit ihr zu reden. Sie war sehr freundlich zu mir und ich denke, sie mochte mich.

Der Alltag hatte sich nach bereits zwei Wochen eingespielt. Ich lief von hier nach dort, von Klasse zu Klasse und mir kamen immer mehr Ideen, was ich in den jeweiligen Unterrichtsstunden mit den Kindern machen könnte und wie ich den Unterricht am besten aufbauen sollte. Ich übte viel Kannada, die Sprache die die Leute dort sprachen, und in Bruchstücken konnte ich mich bald verständigen. Nach drei oder vier Wochen fühlte ich mich schon als Teil der großen Familie dort und der erste Freiwillige kam.

Die gesamte Zeit merkte ich jedoch, dass es nicht das war, was ich mir erhofft hatte. Es war zu modern dort, ich kam kaum aus dem Gelände heraus wodurch ich auch nicht viel von Indien und der indischen Kultur mitbekam, so fühlte ich. Ich fühlte mich etwas eingeschlossen, denn das Gelände war umzäunt, man brauchte zwei vom Ansprechpartner unterschriebene Papiere um das Gelände verlassen zu können und die nächste Bushaltestelle war fünf Kilometer von dem Heim entfernt, weshalb man immer einen persönlichen Fahrer anrufen musste, damit er einen dorthin brachte und auch von der Haltestelle wieder zurück fuhr. Laufen durfte ich nicht, mir wurde gesagt, der Weg sei zu Fuß zu gefährlich, denn das Heim war am Ende einer unbewohnten und teils unbefestigten Straße, wo sich kaum Menschen aufhielten. Jede Fahrt kostete, weshalb sich kurze Ausflüge kaum lohnten.
Und auch wenn ich die Kinder schnell ins Herz geschlossen hatte, so fühlte ich, dass sie mich dort nicht wirklich brauchten. Ich wollte Kindern helfen, die nicht schon so viel hatten wie diese, ich wollte helfen, wo noch nicht genug Hilfe vorhanden war und wo es auch keine finanziellen Mittel gab um Lehrer oder Betreuer einzustellen wenn nötig. Diese Überlegung veranlasste mich schließlich auch dazu mein Projekt wechseln zu wollen.


Mein neues Projekt ist komplett anders im Vergleich zu meinem vorherigen.
Die Schule ist klein und es sind weniger Kinder da, circa 80, wenn alle da sind. Ich unterrichte alles, was von mir verlangt wird beziehungsweise wo ich gerade gebraucht werde, sei es Englisch, Mathe, Biologie oder Assistenz im Kannada-Unterricht. Die Anzahl der Schüler in den Klassen ist eher gering, vielleicht zwischen vier und zehn Kindern, sodass es mehr Möglichkeiten für Einzelunterricht gibt um die Kinder ihren Schwächen entsprechend fördern zu können.
Ab und zu helfe ich auch bei der Physiotherapie, in der ich den Kindern beim Laufen helfe oder versuche sie zu animieren, ihre schwächeren Körperteile in den Übungen mehr einzusetzen.

Bevor ich nach Indien gekommen bin, konnte ich mir kaum vorstellen in einer Schule als Lehrerin zu arbeiten und unter keinen Umständen konnte ich mir vorstellen mit Behinderten zu arbeiten. Als ich kurz vor meinem Projektwechsel erfuhr, dass ich nun in einer Schule für Behinderte arbeiten sollte, freute ich mich allerdings schon auf diese neue Erfahrung. Und es ist eine komplett neue Erfahrung, von der ich froh bin, sie gemacht haben zu dürfen.

Die Lehrerinnen dort sind sehr nett, jedoch sprechen sie überwiegend Kannada wenn sie sich unterhalten, obwohl alle genauso gut Englisch sprechen könnten. So wird die Konversation mit ihnen oftmals stark einschränkt. Ich fühle mich bisher nicht so integriert wie in meinem vorherigen Projekt, vielleicht dauert es hier aber auch nur etwas länger. Ich bin gespannt!
Auch meine Wohnsituation ist nicht vergleichbar. Ich bin nun in einer Gastfamilie bei einem älteren Ehepaar. Ich helfe in der Küche beim Kochen und mache meistens den Abwasch. Das Haus ist klein, aber gemütlich, ich habe mein eigenes Zimmer mit Dachterrasse.
Langsam habe ich mich an die Aufgaben gewöhnt und ich kann meine Gasteltern besser einschätzen, was ihnen recht ist und was nicht. Wir kommen sehr gut miteinander aus, auch wenn wir uns in letzter Zeit kaum sehen, da beide im Moment sehr mit ihrer Arbeit beschäftigt sind und ich viel in Mysore unterwegs bin.

Viel mehr kann ich noch nicht zu meinem jetzigen Leben sagen, ich bin vor gerade einmal einem Monat angekommen. Doch wobei ich mir bereits sicher bin ist, dass meine Hilfe dort gebraucht wird.



Ich denke, die Vorbereitung in Deutschland hat mir in sofern etwas gebracht, dass man sich mit einigen Themen, Rassismus beispielsweise, noch einmal auseinander gesetzt hat. Natürlich wusste man schon alles im Vorhinein, oder zumindest war einem das Meiste was besprochen wurde klar, doch man denkt nicht oft genauer darüber nach, eher unterbewusst.
Ansonsten war es eher so, dass ich mich alleine zurecht finden musste, in keinem Moment habe ich an die Vorbereitung in Deutschland oder eines dieser Themen gedacht. Praxis ist doch anders als Theorie.
Ich habe gerade bewusst das Thema Rassismus erwähnt, denn auch wenn man weiß, dass es existiert und dass man selbst zum Ausländer wird im Ausland, so hatte ich mir nicht viel dabei gedacht. Rassismus an eigenem Leib zu erfahren ist dann doch wieder anders. Man wird angestarrt auf der Straße, angesprochen, es gibt Eintrittspreise für Inder und viel teurere für Touristen, man wird als reich abgestempelt wegen der Hautfarbe, weshalb Händler oft das Dreifache verlangen usw. Das unangenehmste ist jedoch das Anstarren, ich habe mich bis heute kaum daran gewöhnt, in manchen Situationen zumindest.
Natürlich kann es auch genau anders herum sein, dass Leute einen bevorzugt behandeln, gerade weil man aus dem Westen kommt, doch wenn man in einem Land lebt will man nach einer gewissen Zeit so behandelt werden als wäre man einheimisch. Oftmals vergesse ich, dass ich anders aussehe als die ganzen Leute um mich herum und wenn ich Leute aus anderen Ländern sehe sind sie jedes Mal eine Erscheinung für mich, besonders wenn sie kurze, knappe Kleidung tragen ist es für mich sehr merkwürdig. Dann erinnere ich mich jedoch daran, dass ich selbst auch anders aussehe als die indischen Menschen und ich merke, dass ich niemals als eine der ihren angenommen werden kann ohne zuerst als Ausländer erkannt zu werden.
Dementsprechend vermisse ich zwischendurch die europäischen Länder, in denen man auch anonym durch die Straßen laufen kann ohne direkt von mehreren Seiten so angestarrt zu werden als käme man von einem anderen Planeten.

1 Kommentar:

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